Bremen, 31.08.2024 (fs) – In Erwartung der österreichischen Nationalratswahlen am 29. September und im Angesicht wichtiger geopolitischer Entscheidungen, insbesondere der Präsidentschaftswahlen in den USA, äußern zahlreiche Bürgerinnen und Bürger ihre Sorge über wachsende gesellschaftliche Spaltungen. Die intensiven Debatten über den Krieg, der durch die russische Invasion in der Ukraine ausgelöst wurde, die Zuspitzung des Gaza-Konflikts infolge des Angriffs der Hamas auf Israel und das Aufkeimen terroristischer Aktivitäten weltweit tragen zu einer Verstärkung politischen Extremismus bei, nicht nur in Österreich. Vor diesem Hintergrund lanciert das Wiener Leopold Museum die Initiative WE ARE MANY. CELEBRATING DIVERSITY, um ein deutliches Signal für Toleranz und Diversität zu setzen.
Das Leopold Museum erkennt seine Rolle als Kultur- und Bildungseinrichtung an und fördert aktiv Vielfalt, Inklusion und eine dynamische Demokratie. Wir sind fest davon überzeugt, dass es nun wichtiger denn je ist, Kräfte zu vereinen, um dem beunruhigenden Trend einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft entgegenzuwirken. Es ist entscheidend, eine klare Position gegen diese Spaltung zu beziehen. Die pluralistische Gesellschaft Wiens um 1900, die die Stadt zur Kulturhauptstadt Europas machte, dient uns dabei als Vorbild und Inspiration.
Mit Kunst demonstrieren
Das Leopold Museum präsentiert mit seiner Sammlung von über 8.300 Werken eine beeindruckende Schau des künstlerischen Schaffens und des intellektuellen Lebens in Wien um das Jahr 1900. Es illustriert eindrucksvoll, wie die damalige Metropole als pulsierendes Herz des kulturellen Austauschs diente. Menschen verschiedenster Herkunft, Glaubensrichtungen und Überzeugungen trafen aufeinander und bereicherten sich gegenseitig. Die Dauerausstellung „Wien 1900. Aufbruch in die Moderne“ sowie die Wechselausstellung „Glanz und Elend. Neue Sachlichkeit in Deutschland“ transformieren elf Kunstwerke in kraftvolle Manifeste. Diese setzen sich mit Missständen wie Intoleranz, sozialer Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Geschlechterdiskriminierung auseinander. Unter den Gemälden angebrachte Holzstäbe, die von stilisierten Händen gehalten werden, verwandeln die Kunstwerke in Demonstrationsplakate. Die begleitenden Texte regen zum Nachdenken an, bieten vertiefende Informationen und Denkanstöße. Sie ziehen Parallelen zwischen den Kunstwerken und den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen.
Die Initiative „WE ARE MANY. CELEBRATING DIVERSITY“ behandelt eine Vielzahl von Themen. Sie reicht von einem Plädoyer für gesellschaftliche Vielfalt bis hin zur Bedeutung des Feminismus. Sie umfasst Appelle zur Wertschätzung von Bildung und Arbeit, spricht sich gegen Krieg, Hunger und Armut aus und setzt sich für den Klimaschutz ein. Darüber hinaus werden Fragen zu Geschlechteridentitäten und sexueller Orientierung thematisiert.
Für diese symbolische Versammlung im Museum, die man als „Kunstgebung“ bezeichnen könnte, wurden Werke von Künstlern wie Albert Birkle, Tina Blau-Lang, Kate Diehn-Bitt, Gustav Klimt, Felix Nussbaum, Max Oppenheimer, Christian Schad, Otto Rudolf Schatz, Egon Schiele, Rudolf Schlichter und Simeon Solomon ausgewählt. Diese Auswahl repräsentiert ein breites Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen und thematischer Auseinandersetzungen. Sie spiegelt die Vielfalt und die Intensität der künstlerischen Reaktionen auf gesellschaftliche Zustände wider.
Kampagne zur Initiative WE ARE MANY
Das Leopold Museum fördert eine Initiative, die durch eine vielschichtige Kampagne unterstützt wird. Diese umfasst die eigene Website des Museums, multimediale Inhalte, soziale Netzwerke und Plakatwerbung. Das zentrale Bildmotiv der Kampagne präsentiert eine Gruppe protestierender Personen. Im Vordergrund halten Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, und der Maler Richard Gerstl ein Banner hoch. Auf diesem steht „WE ARE MANY. CELEBRATING DIVERSITY“. An ihrer Seite ist Rasha zu sehen, eine Artistin, die von Christian Schad gemalt wurde. Schad selbst ist dahinter, in einem durchsichtigen Hemd, erkennbar.
Ebenfalls abgebildet sind Gustav Klimt in einem Malerkittel, eine Katze haltend, sowie Isabella Reisser. Sie wurde von Anton Romako porträtiert und ist die Ehefrau des technischen Leiters der Neuen Freien Presse, Christoph Reisser. Des Weiteren ist das genderfluide Selbstporträt von Kate Diehn-Bitt zu sehen. In der hintersten Reihe sind Figuren aus Otto Rudolf Schatz‘ Werk „Die Hoffnung“ zu erkennen. Zuletzt fällt der wachsame Blick von Egon Schiele auf den Betrachter.
Für die Initiative konnten bedeutende Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft gewonnen werden. Sie haben Videostatements beigesteuert. Zu ihnen zählen Tomas Zierhofer-Kin, Kurator, Mirjana Mustra, Künstlerin und Kuratorin, und Lysander Fremuth, Jurist und Menschenrechtsexperte am Ludwig Boltzmann-Institut. Auch Barbara Coudenhove-Kalergi, Journalistin und Herausgeberin, Karl Regensburger, Intendant des ImPulsTanz Festivals, und Ruth Brauer-Kvam, Schauspielerin, sind dabei. Arthur Arbesser, Modedesigner und Unternehmer, Timna Brauer, Musikerin, Markus Hübl, Kunstvermittler, Martin Schenk, Sozialexperte bei der Diakonie Österreich, und Michael Parzer, Professor am Institut für Soziologie der Universität Wien, haben ebenfalls ihre Unterstützung ausgedrückt.
Führungen
Im Rahmen der Initiative „WE ARE MANY. CELEBRATING DIVERSITY“ werden sonntags Spezialführungen angeboten. Diese finden am 1., 8., 15. und 22. September 2024 statt. Die Führungen beleuchten ausgewählte Aspekte und Kunstwerke. Sie sind Teil der Dauerpräsentation „Wien 1900. Aufbruch in die Moderne“ sowie der Wechselausstellung „Glanz und Elend. Neue Sachlichkeit in Deutschland“. Der Schwerpunkt liegt auf den gesellschaftlichen Veränderungen und Kontrasten. Besonders wird die Vielfalt Wiens um das Jahr 1900 und Deutschlands in der Zwischenkriegszeit betrachtet.
Die Führungen verdeutlichen, wie sich Künstlerinnen und Künstler schon vor hundert Jahren mit wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigten. Themen wie Krieg, Antisemitismus, Geschlechteridentitäten und Umweltprobleme standen im Fokus ihrer Werke. Diese Veranstaltungen bieten eine einzigartige Gelegenheit, die historische Auseinandersetzung mit diesen Themen zu erkunden. Sie zeigen auf, wie Kunst als Spiegel und Kommentator gesellschaftlicher Zustände fungieren kann.
Besucher erhalten tiefe Einblicke in die künstlerische Verarbeitung von Diversität und gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Führungen sind eine Hommage an die kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt. Sie ehren das Erbe der Künstler, die sich mit den drängenden Fragen ihrer Zeit auseinandersetzten. Die Initiative lädt dazu ein, die Vergangenheit neu zu entdecken und ihre Relevanz für die Gegenwart zu verstehen. Sie fördert das Bewusstsein für die Bedeutung von Vielfalt und Inklusion. Die Teilnahme an den Führungen verspricht eine bereichernde Erfahrung. Sie ist für alle, die sich für Kunst, Geschichte und gesellschaftliche Entwicklungen interessieren, empfehlenswert. Die Veranstaltungen sind eine Chance, die Vergangenheit zu reflektieren und Inspiration für die Zukunft zu sammeln.
Headlines und Exponate
- CLIMATE JUSTICE. NOW! – Tina Blau-Lang 1845 – 1916, Apfelblüten, nach 1894
- SMASH THE PATRIARCHY! – Simeon Solomon 1840 – 1905, Reading, 1865
- GIVE BACK TO NATURE. – Gustav Klimt 1862 – 1918, Litzlbergkeller, 1915/16
- FIGHT POVERTY, NOT THE POOR. – Egon Schiele 1890 – 1918, Mutter mit zwei Kindern II, 1915
- WE´RE HERE. WE´RE QUEER. GET USED TO IT. – Max Oppenheimer 1885 – 1954, Selbstbildnis, 1911
- WE ARE MANY. – Otto Rudolf Schatz 1900 – 1961,Die Hoffnung, 1930
- PROTECT HUMAN RIGHTS! – Christian Schad 1894 – 1982, Agosta, der Flügelmensch und Rasha, die schwarze Taube, 1929
- FEED THE HUNGRY! – Rudolf Schlichter 1890 – 1955, Verwahrloste Jugend, um 1925/26
- THE FUTURE IS GENDER FLUID. – Kate Diehn-Bitt 1900 – 1978,Selbstbildnis als Malerin, 1935
- THERE IS NO PLANET B. – Albert Birkle 1900 – 1986, Im schlesischen Kohlerevier, um 1928-30
- THE FUTURE IS GENDER FLUID. – Kate Diehn-Bitt 1900 – 1978, Selbstbildnis als Malerin, 1935
- NEVER AGAIN. – Felix Nussbaum 1904 – 1944,„Orgelmann“, 1942/43
Titelbild: Kate Diehn-Bitt (1900 –1978), Selbstbildnis als Malerin, 1935, Öl auf Sperrholz, 100 x 70 cm, Kunsthalle Rostock Demo-Schild der Initiative WE ARE MANY zum Thema THE FUTURE IS GENDER-FLUID. / Foto: Ouriel Morgensztern / Leopold Museum, Wien