Bremen, 21.08.2024 (fs) – Barrierefreies Reisen nimmt in Anbetracht demografischer Entwicklungen eine immer wichtigere Rolle ein. Großkreuzfahrtunternehmen haben bereits auf diese Notwendigkeit reagiert, indem sie ihre Schiffe entsprechend anpassen und zertifizieren lassen. Viele Küstenorte jedoch müssen in dieser Hinsicht noch nachbessern. Ein Besuch der GRÜNEN Fraktion im Seebad Travemünde offenbarte erhebliche Mängel in puncto Barrierefreiheit.
Helmut Müller-Lornsen, sozialpolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion, betont die Bedeutung von Teilhabe und Inklusion für die Lebensqualität in der Stadt. Er hebt hervor, dass der Zugang zum Seebad Travemünde für alle Menschen möglich sein sollte. Die Überprüfung der Barrierefreiheit vor Ort zeigte, dass insbesondere der Weg zum Strand und der Zugang zum Wasser für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen problematisch ist.
Eine Untersuchung des Weges vom Strandbahnhof zum Wasser durch die GRÜNEN Fraktion ergab, dass die Beschilderung und die Verfügbarkeit barrierefreier Toiletten unzureichend sind. Zudem ist der Zugang zum Strand und zum Wasser für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer nicht ohne Weiteres möglich. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Dringlichkeit von Verbesserungen, um die Inklusion und Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
Mandy Siegenbrink, Co-Vorsitzende der Fraktion und Mitglied des Sozialausschusses, teilte ihre Erfahrungen mit der Barrierefreiheit in Travemünde. Sie unternahm einen Selbstversuch im Rollstuhl, um die Zugänglichkeit persönlich zu bewerten. Ihre Reise begann am Bahnhof, wo sie vergeblich nach einer barrierefreien Toilette suchte. Sie betonte, dass solche Einrichtungen an einem verkehrsreichen Bahnhof vorhanden sein sollten.
Auf dem Weg zur Promenade stieß sie auf Hindernisse. An zwei Übergängen fehlten abgesenkte Bordsteine, was externe Hilfe erforderlich machte. Weiterhin war die Beschilderung für barrierefreie Toiletten an der Promenade unzureichend. Sie fand eine solche Toilette erst, nachdem sie den allgemeinen WC-Schildern gefolgt war.
Der Strandzugang erfolgte über eine lange Rampe. Im vorderen Bereich ermöglichten Holzplanken die Fortbewegung im Rollstuhl. Jedoch endeten diese Wege abrupt, sodass eine Annäherung an das Wasser unmöglich war.
Bei der Strandkorbvermietung Seipel fand sie Unterstützung. Dieser Anbieter hatte sich des Problems angenommen und bot zwei spezielle Strandrollstühle an. Ein Selbsttest zeigte jedoch, dass auch diese Rollstühle nur schwerlich durch den Sand manövrierbar waren. Die Unterstützung durch eine oder zwei weitere Personen war notwendig, um den Rollstuhl zu bewegen. Siegenbrink schloss daraus, dass ein selbstbestimmtes Stranderlebnis unter diesen Umständen nicht gegeben war. Sie forderte Verbesserungen, um die Barrierefreiheit für alle Besucher zu gewährleisten.
Heiner Popken, stellvertretendes Mitglied im Sozialausschuss, betont die Bedeutung von Praxistests, da diese oft erst vor Ort bestehende Mängel offenlegen. Er, selbst Rollstuhlfahrer, hat seit Jahren Travemünde nicht besucht und fühlte sich durch einen kürzlichen Test in seiner Entscheidung bestärkt. Die Infrastruktur rund um den Bahnhof ist suboptimal; es mangelt an Wegweisern zu barrierefreien Toiletten entlang der Promenade. Zudem ist es ihm nicht möglich, das Wasser zu erreichen oder darin zu baden. Obwohl es etablierte Hilfsmittel wie elektrische Badelifte gibt, die teilweise autonom von Rollstuhlnutzern bedient werden können, sind diese am Strand nicht verfügbar.
Popken findet es unverständlich, dass trotz der kostspieligen Neugestaltung der Promenade, inklusive einer Rampe, Rollstuhlnutzer am Strand keine adäquaten Aktivitäten ausüben können. Auch die vorhandenen Duschen und Umkleiden sind nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgelegt. Im Gegensatz dazu wurde am Brodtener Ufer ein Hundesteg für 7.000 Euro errichtet, der nach Sturmschäden für weitere 25.000 Euro instand gesetzt wurde. Insgesamt wurden somit 32.000 Euro in eine Einrichtung investiert, die ausschließlich Hunden zugutekommt. Dies wirft bei Popken Fragen bezüglich der Prioritätensetzung der Stadtverwaltung auf.
Helmut Müller-Lornsen betont die Bedeutung einer barrierefreien Umgebung als Grundstein für eine inklusive Gesellschaft. Er unterstreicht, dass Anpassungen in der Umgebung erfolgen müssen, um allen Menschen die Teilnahme am sozialen Leben zu ermöglichen. Dies ist besonders relevant für das Seebad Travemünde, das als beliebtes Reiseziel für Einheimische und Besucher gleichermaßen erfahrbar sein sollte.
Die wirtschaftliche Perspektive zeigt, dass Travemünde durch die Positionierung als barrierefreier Urlaubsort für eine wachsende Zielgruppe attraktiver werden könnte. Barrierefreiheit ist ein entscheidender Faktor für viele Reisende bei der Auswahl ihres Urlaubsortes, was nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch ihre Mitreisenden betrifft.
Es ist nun die Aufgabe der Verwaltung, kleinere Mängel unverzüglich zu beheben und langfristige Maßnahmen zu ergreifen, die die Barrierefreiheit in Travemünde verbessern. Durch die Schaffung eines inklusiven und zugänglichen Umfelds kann das Seebad für eine breitere Zielgruppe geöffnet und der Tourismus sowie die lokale Wirtschaft gestärkt werden.
Titelbild: Helmut Müller-Lornsen, sozialpolitischer Sprecher / Foto: © BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kreisverband Lübeck