Bremen, 17.08.2024 (fs) – Das Berlin-Institut hat eine Studie zu sexueller Selbstbestimmung junger Menschen in Afrika veröffentlicht. Sie zeigt Herausforderungen auf, wie Kinderheirat und Teenagerschwangerschaften. Diese Praktiken sind trotz der jungen Bevölkerung, von der drei Fünftel unter 25 sind, verbreitet. Die Studie beleuchtet auch den steigenden Anteil Jugendlicher, die mit HIV leben. Sie basiert auf Interviews mit Aktivist:innen und Organisationen in Nigeria, Sambia und Tansania. Die Ergebnisse identifizieren Versorgungslücken und schlagen Lösungen vor. Ziel ist es, die Unterstützung für Afrikas Jugend zu verbessern und ihre Zukunftsaussichten zu erhöhen. Wichtige Bereiche wie Sexualaufklärung, LSBTIQ1-Rechte und Zugang zu Verhütungsmitteln werden hervorgehoben. Die gesundheitliche Versorgung ist ebenfalls ein zentraler Aspekt der Studie. Durch diese Erkenntnisse können Maßnahmen entwickelt werden, um die Lebensqualität der Jugendlichen zu fördern.
Eine adäquate Sexualaufklärung für Jugendliche ist in vielen Nationen nicht gewährleistet. Informierte Entscheidungen bezüglich Sexualität und Fortpflanzung setzen Aufklärung voraus. Dies betrifft den Schutz vor HIV ebenso wie die Prävention ungewollter Schwangerschaften. Die Gesundheitsversorgung zeigt in vielen afrikanischen Staaten, darunter auch Nigeria, Tansania und Sambia, erhebliche Defizite. Jugendgerechte, diskrete und respektvolle medizinische Betreuung ist dort oft nicht vorhanden.
Gesundheitseinrichtungen sind gefordert, Angebote zu schaffen, die den Anforderungen der Jugend entsprechen. Ein separater Wartebereich, der Begegnungen mit Bekannten vermeidet, ist ein Beispiel. Colette Rose, Autorin der Studie und Projektkoordinatorin am Berlin-Institut, betont die Notwendigkeit der Einbindung junger Menschen in die Gestaltung der Gesundheitsdienste. Dies umfasst auch die Festlegung von Sprechzeiten. Nur so kann eine jugendfreundliche Versorgung sichergestellt werden.
Weder inklusiv noch barrierefrei: Die Gesundheitsversorgung in Afrika
Junge Menschen, die eine Behinderung haben oder HIV-positiv sind, erleben oft Diskriminierung. Dies geschieht, wenn sie medizinische Hilfe oder Verhütungsmittel suchen. Nehmen wir das Beispiel einer sechzehnjährigen Jugendlichen mit Sehbehinderung. Sie benötigt einen Schwangerschaftstest. Für sie ist bereits der Weg zur Klinik und die Orientierung vor Ort schwierig. Oftmals fehlen Leitsysteme in Braille. Gesundheitspersonal priorisiert häufig andere Patienten. Dies führt zu langen Wartezeiten. Besonders betroffen sind junge Menschen aus der LSBTIQ*-Gemeinschaft und solche, die HIV-positiv sind. Im Behandlungsraum erleben Jugendliche manchmal erniedrigende Bemerkungen. Sie werden gefragt, warum sie in jungen Jahren oder überhaupt Geschlechtsverkehr haben.
Kristin Neufeld, Co-Autorin einer relevanten Studie, weist auf ein weiteres Problem hin. Der Besuch einer Gesundheitseinrichtung ist für junge Menschen mit vielen Hürden verbunden. Werden sie zudem respektlos behandelt, ist es wahrscheinlich, dass sie nicht zurückkehren. Dies gilt auch, wenn sie gesundheitliche Probleme haben. Ein solches Verhalten des Personals kann schwerwiegende Folgen haben. Sexuell übertragbare Krankheiten bleiben möglicherweise unentdeckt und unbehandelt.
Ohne Armutsbekämpfung wird es keine Selbstbestimmung geben
Armut bildet eine signifikante Hürde im Leben vieler junger Menschen. Oftmals sind die Kosten für eine Packung Kondome oder die Fahrt zur nächsten medizinischen Einrichtung unerschwinglich. Eltern stehen häufig vor der Herausforderung, nicht genügend Mittel zu haben, um regelmäßig Menstruationsprodukte für ihre Töchter zu erwerben. Alleinerziehende Mütter, die keinen Schulabschluss besitzen, sehen sich oft mit der Realität konfrontiert, dass die Sexarbeit die einzige verfügbare Option darstellt, um ein Obdach und Nahrung für sich und ihre Kinder zu sichern.
Kristin Neufeld hebt hervor, dass junge Menschen zunächst ihre grundlegenden Bedürfnisse befriedigen müssen, bevor sie in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie betont, dass Projekte, die sich der Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte Jugendlicher widmen, dann am wirkungsvollsten sind, wenn sie gleichzeitig die finanzielle Unabhängigkeit der jungen Menschen unterstützen.
Vielversprechenden Lösungsansätze sind vorhanden, es fehlt aber oft an der Förderung
Auf dem afrikanischen Kontinent existiert eine Vielzahl von Projekten und Initiativen. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, die sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie die Rechte junger Menschen zu fördern. Jedoch variiert die Effektivität dieser Unternehmungen. Das Berlin-Institut hat eine Studie veröffentlicht. In dieser werden Praxisbeispiele und Empfehlungen präsentiert. Diese wurden von lokalen Jugendorganisationen und Expert:innen als besonders erfolgversprechend eingestuft. Ein gemeinsames Merkmal dieser Praxisbeispiele ist ihre Entwicklung durch oder in Konsultation mit Jugendlichen.
Colette Rose vom Berlin-Institut betont die Wichtigkeit der Einbeziehung junger Menschen. Sie spricht sich für die Inklusion besonders benachteiligter Gruppen in Projekten auf allen Ebenen aus. Dies sei essentiell, um den Bedürfnissen und Wünschen junger Afrikaner:innen gerecht zu werden. Obwohl Jugendorganisationen in Afrika bereits bedeutsame und erfolgversprechende Arbeit leisten, mangelt es ihnen an adäquater und nachhaltiger finanzieller Unterstützung. Diese wäre notwendig, um ihre Tätigkeiten fortzuführen und zu erweitern.
Download der Studie
Die komplette Studie wird hier zum Download angeboten: https://www.berlin-institut.org/studien-analysen/detail/afrikas-zukunft-ist-jung
- Die Abkürzung LSBTIQ Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, intergeschlechtliche und queere Menschen und weitere Geschlechtsidentitäten. ↩︎