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Immer noch Tabuthema: Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderung

Lesedauer 5 Minuten

Bremen, 21.10.2024 (fs) – Frauen und Mädchen mit Behinderung erleben häufiger Gewalt als nichtbehinderte Frauen und Mädchen. In einer Studie berichtete fast die Hälfte der Befragten von erlebter sexualisierter Gewalt. Frauen mit Behinderung erfahren doppelt so oft körperliche Gewalt im Erwachsenenalter wie nichtbehinderte Frauen. Drei von fünf Betroffenen berichteten davon.

70–90 % der Frauen in Einrichtungen der Behindertenhilfe gaben psychische Gewalt an. Mindestens jede zweite Frau mit Behinderung, die im eigenen Haushalt lebt, berichtete von psychischer Gewalt durch Eltern. 75 % berichteten von psychischer Gewalt im Erwachsenenalter.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderung war lange ein Tabuthema. Sie erleben Gewalt zu Hause, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder während der Pflege. Nur wenige Betroffene suchen Beratung und Hilfe. Zu 97 % sind die Täter Männer, die den Frauen meist bekannt sind. Täter stammen aus dem Umfeld der Frauen, wie Väter, Stief- und Pflegeväter, Betreuer, Bus- und Taxifahrer, Anleiter in Werkstätten oder Mitbewohner in Wohneinrichtungen. Betroffene sind oft emotional oder körperlich abhängig von den Tätern. Nähe zu Pflegepersonen erleichtert Grenzverletzungen und Übergriffe.

Frauen und Mädchen mit Behinderung erleben Mehrfachdiskriminierung und strukturelle Gewalt aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung. Ihre Lebensbedingungen unterscheiden sich von denen nichtbehinderter Frauen, was ein erhöhtes Gewalt-Risiko bedeutet. Wesentliche Risikofaktoren sind Sozialisation, Assistenz- und Pflegebedarf sowie das Leben in Institutionen.

Sozialisation

Identität, Selbstwert und Selbstbewusstsein entwickeln sich durch soziale Umgebung. Menschen mit Behinderung werden oft nicht als Personen mit individuellen Fähigkeiten wahrgenommen, sondern primär als behindert. Dies beeinflusst ihre Selbstwahrnehmung negativ und erschwert die Identitätsentwicklung.

Mädchen und Frauen mit Behinderung werden oft zur Anpassung erzogen. Viele haben Schwierigkeiten, Bedürfnisse auszusprechen oder durchzusetzen. Ihr Umfeld stellt oft die Behinderung in den Vordergrund und erkennt ihre Geschlechtsidentität weniger oder gar nicht an. Sichtbare Behinderungen führen dazu, dass Frauen als geschlechtsloser und unattraktiver wahrgenommen werden. Dies beeinträchtigt Selbstwert und Selbstbewusstsein.

Assistenz und Pflege

Viele Mädchen und Frauen mit Behinderungen sind auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Assistenz und Pflege erfolgen meist durch Familienangehörige, Partner*innen oder externe Professionelle. Diese Aufgaben erfordern eine sehr intime körperliche Nähe.

In Pflege- und Betreuungssituationen kommt es oft zu Grenzverletzungen und Übergriffen. Auch medizinische Untersuchungen und therapeutische Maßnahmen, die Menschen mit Behinderung häufiger in Anspruch nehmen müssen, können zu Grenzüberschreitungen und Übergriffen führen.

Leben in Institutionen

Viele Mädchen und Frauen mit Behinderung leben seit ihrer Kindheit in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Diese Institutionen galten lange als geschützte Räume, doch Übergriffe und Gewalt kommen dennoch vor. In einigen Wohnheimen oder Werkstätten ist ein selbstbestimmtes Leben schwer möglich. Es gibt teilweise noch Mehrbettzimmer oder nicht abschließbare Zimmer und Waschräume. Dies schränkt die Intimsphäre und gelebte Sexualität stark ein. Bewohner*innen können meist nicht selbst entscheiden, wer sie pflegen soll. Sie sind stark abhängig von den Mitarbeitenden. Diese Strukturen erleichtern Übergriffe und erschweren die Aufdeckung von Gewalt.

Die Frauenhäuser in Deutschland: Ein Überblick zur aktuellen Situation und Barrierefreiheit

Frauenhäuser spielen eine zentrale Rolle im Schutz und in der Unterstützung von Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt, Missbrauch oder anderen Formen der Unterdrückung geworden sind. In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Frauenhäusern, die sowohl sichere Unterkünfte als auch Beratungs- und Unterstützungsdienste bieten. Wir schauen hier auf die aktuelle Anzahl der Frauenhäuser in Deutschland und deren Barrierefreiheit, insbesondere für Frauen mit Behinderungen.

Aktuellen Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland etwa 350 Frauenhäuser. Diese Einrichtungen sind über das gesamte Bundesgebiet verteilt und bieten den betroffenen Frauen und ihren Kindern Schutz und Hilfe.

Frauenhäuser für Frauen mit Behinderungen

Die Situation für Frauen mit Behinderungen ist in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens oft herausfordernd, und dies ist auch bei der Zugänglichkeit von Frauenhäusern nicht anders. Nur eine begrenzte Anzahl der Frauenhäuser in Deutschland ist vollständig barrierefrei. Nach aktuellen Informationen sind nur etwa 15-20% der Frauenhäuser in Deutschland für Frauen mit Behinderungen geeignet. Das bedeutet, dass etwa 53 bis 70 Frauenhäuser barrierefrei sind und die speziellen Bedürfnisse von Frauen mit verschiedenen Arten von Behinderungen berücksichtigen.

Die Notwendigkeit von barrierefreien Frauenhäusern ist unbestreitbar, da Frauen mit Behinderungen oft einem höheren Risiko von Gewalt ausgesetzt sind und gleichzeitig weniger Zugang zu entsprechenden Unterstützungsdiensten haben. Die Herausforderungen, denen sich diese Frauen gegenübersehen, umfassen unter anderem:

  • Physische Barrieren: Viele Frauenhäuser sind nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Frauen im Rollstuhl oder mit anderen Mobilitätseinschränkungen vorbereitet.
  • Sinnesbehinderungen: Frauen mit Hör- oder Sehbehinderungen benötigen spezielle Einrichtungen und Unterstützung, die nicht in allen Frauenhäusern verfügbar sind.
  • Psychische und kognitive Behinderungen: Frauen mit diesen Behinderungen benötigen maßgeschneiderte Beratungs- und Unterstützungsangebote, die nicht überall vorhanden sind.

Initiativen und Verbesserungen

Es gibt verschiedene Initiativen und Programme, die darauf abzielen, die Situation für Frauen mit Behinderungen in Frauenhäusern zu verbessern. Einige dieser Maßnahmen umfassen:

  • Förderprogramme: Bund und Länder stellen Fördermittel zur Verfügung, um bestehende Frauenhäuser barrierefrei zu gestalten oder neue barrierefreie Einrichtungen zu schaffen.
  • Weiterbildung: Schulungsprogramme für das Personal in Frauenhäusern, um die speziellen Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen besser zu verstehen und darauf einzugehen.
  • Vernetzung: Zusammenarbeit mit Behindertenverbänden und anderen spezialisierten Organisationen, um Best Practices zu teilen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

Die Unterstützung von Frauen in Not ist eine gesellschaftliche Verpflichtung, und Frauenhäuser spielen dabei eine entscheidende Rolle. Obwohl es in Deutschland eine beträchtliche Anzahl von Frauenhäusern gibt, bleibt die Barrierefreiheit eine Herausforderung. Derzeit sind nur etwa 15-20% der Frauenhäuser barrierefrei, was bedeutet, dass noch viel Handlungsbedarf besteht, um sicherzustellen, dass alle Frauen, unabhängig von ihren körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, Zugang zu sicherem Schutz und notwendiger Unterstützung haben. Es ist von zentraler Bedeutung, dass weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Barrierefreiheit in Frauenhäusern zu verbessern. Dies erfordert nicht nur finanzielle Investitionen, sondern auch eine Sensibilisierung und Ausbildung des Personals, um den vielfältigen Bedürfnissen der betroffenen Frauen gerecht zu werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle Frauen, die in Not geraten, die Hilfe und den Schutz erhalten, den sie verdienen.

Gleichberechtigter Zugang zur Justiz: Ein unvollendetes Versprechen

Die Justiz sollte Gerechtigkeit und Gleichberechtigung bieten. Jeder Mensch, unabhängig von seinen individuellen Eigenschaften, sollte Zugang zu fairen Verfahren haben. Doch für viele Menschen mit Behinderungen bleibt diese Vision oft unerfüllt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hebt hervor, dass viele Barrieren den gleichberechtigten Zugang zur Justiz einschränken.

Bauliche Barrieren: Das physische Hindernis

Eine der offensichtlichsten Barrieren sind die baulichen Gegebenheiten von Gerichts- und Polizeigebäuden. Viele Gebäude sind nicht vollständig barrierefrei. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen haben Schwierigkeiten, diese Orte zu erreichen. Rampen, Aufzüge und breite Türrahmen fehlen oft. Wenn sie vorhanden sind, sind sie oft schlecht gewartet oder unzureichend gestaltet. Auch die Gestaltung von Räumen und Hilfsmitteln wie taktile Leitsysteme und Brailleschrift sind essentiell.

Informationsbarrieren: Der Mangel an barrierefreien Formaten

Ein weiteres Problem ist die Verfügbarkeit von Informationen in barrierefreien Formaten. Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen stoßen auf Hindernisse bei rechtlichen Dokumenten. Gerichtsurteile, Anhörungstermine oder polizeiliche Protokolle sind oft nicht in Brailleschrift verfügbar. Auch einfache Sprache und Audioaufnahmen fehlen häufig. Die Kommunikation mit Rechtsanwälten ist ebenfalls schwierig, wenn keine Dolmetscher zur Verfügung stehen.

Bevormundende Einstellungen: Ein unsichtbares Hindernis

Neben physischen und informationellen Barrieren gibt es auch attitudinale Hindernisse. Bevormundende Einstellungen von Justizpersonal hindern Menschen mit Behinderungen daran, gleichberechtigt teilzunehmen. Es wird oft angenommen, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu vertreten. Solche Einstellungen untergraben das Selbstbewusstsein und die Würde der Betroffenen. Sie führen auch zu faktischer Ungleichbehandlung.

Rechtliche Rahmenbedingungen und ihre Umsetzung

Es gibt nationale und internationale Regelungen für den Zugang zur Justiz. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten, den Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Doch die Umsetzung dieser Verpflichtungen ist oft unzureichend. Schulungen für Justizpersonal und die Sensibilisierung für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen fehlen. Auch die Bereitstellung von Hilfsmitteln ist oft nicht vorhanden.

Wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Um den gleichberechtigten Zugang zur Justiz zu gewährleisten, sind Veränderungen nötig. Zunächst muss die bauliche Barrierefreiheit aller Justizgebäude sichergestellt werden. Dazu gehören Rampen, Aufzüge und Orientierungshilfen. Informationen müssen in vielfältigen barrierefreien Formaten bereitgestellt werden. Dazu zählen Brailleschrift, einfache Sprache und Audioaufnahmen. Gebärdendolmetscher und Kommunikationstechnologien müssen Standardpraxis werden.

Ein kultureller Wandel ist notwendig

Justizpersonal muss für die Belange von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert werden. Schulungen und Fortbildungen können helfen, bevormundende Einstellungen abzubauen. Ein respektvoller und gleichberechtigter Umgang muss gefördert werden.

Fazit

Der gleichberechtigte Zugang zur Justiz ist ein grundlegendes Menschenrecht. Menschen mit Behinderungen haben jedoch mit zahlreichen Barrieren zu kämpfen. Es liegt in der Verantwortung von Gesellschaft und Staat, diese Hindernisse abzubauen. Nur so kann die Justiz ihrem Anspruch gerecht werden, ein Ort der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu sein.

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