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Barrierefreiheit: Forschende der Uni Wuppertal arbeiten an Zertifikat für Sportstätten

Lesedauer 4 Minuten

Barrierefreiheit ist ein Schlüssel zur Teilhabe und Integration in der Gesellschaft, insbesondere im Bereich des Sports. Die Nutzung von Sporthallen, Schwimmbädern und Fitnessstudios ohne Hindernisse ermöglicht Menschen mit Beeinträchtigungen, aktiv am Sportgeschehen teilzunehmen. Wissenschaftler der Bergischen Universität widmen sich der Frage, was Barrierefreiheit in diesem Kontext konkret bedeutet. Ihr Ziel ist es, Kriterien für die Zertifizierung von Sportstätten zu entwickeln, um deren Zugänglichkeit zu gewährleisten.

Zahlreiche Leitfäden und Praxishilfen bieten Orientierung zur Gestaltung barrierefreier Sporteinrichtungen. Sie dienen dazu, die notwendigen Bedingungen für eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilnahme am Sport zu schaffen. Dr. Jonas Wibowo und sein Team aus dem Bereich der Sportpädagogik an der Bergischen Universität haben diese Ressourcen zusammengetragen und analysiert. Sie bilden die Grundlage ihrer Forschungsarbeit, die darauf abzielt, die Barrierefreiheit von Sportstätten zu verbessern.

Die Herausforderung besteht darin, dass die Vielzahl der Kriterien in bestehenden Leitfäden oft schwer in der Praxis umzusetzen ist. Dies stellt sowohl bei der Sanierung bestehender Anlagen als auch bei der Planung neuer Einrichtungen eine Hürde dar. Die Bewertung der Barrierefreiheit einer Sportstätte stößt aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzergruppen auf Schwierigkeiten. Es mangelt an systematischer Erfassung der örtlichen Gegebenheiten und an aussagekräftigen Informationen für die Nutzer über den Grad der Barrierefreiheit.

Dr. Wibowo erläutert, dass es an empirischen Studien fehlt, die aufzeigen, welche Barrieren von Menschen mit Beeinträchtigungen tatsächlich wahrgenommen werden. Eine solche Forschung ist essenziell, um die Barrierefreiheit von Sportstätten zu optimieren und allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu ermöglichen. Die Arbeit von Dr. Wibowo und seinem Team ist daher von großer Bedeutung für die Entwicklung inklusiver Sportangebote und die Förderung der Teilhabe aller Menschen am Sport.

Die Ausgangslage ist komplex

In Kooperation mit dem Praxispartner beratungsPUNKTsport widmet sich das Forschungsteam unter Leitung des Sportwissenschaftlers dem Projekt „ZertSportstätten“. Das Hauptziel dieses Unterfangens ist die Schaffung eines Informationssystems. Dieses System soll die räumliche Barrierefreiheit von Sportanlagen zertifizieren. Eine Überprüfung dieses Systems ist durch die Deutsche Akkreditierungsstelle vorgesehen.

Die Ausgangssituation des Projekts ist komplex. Im Rahmen des parallel verlaufenden Projekts „NoBars“ identifizierten die Forscher bereits acht Raumeigenschaften. Diese Eigenschaften sind für die Sammlung von Messdaten in den Sportstätten der Stadt Wuppertal relevant. Die definierten Eigenschaften umfassen Beschilderung, Erreichbarkeit, Kontraste, Klimatik, Licht und Schatten, Ordnung, Bedienbarkeit und Akustik. Es zeigt sich, dass die Bedürfnisse der betroffenen Personen vielfältig sind. Daher differenzieren die Wissenschaftler in ihrer Forschung zwischen verschiedenen Arten von Beeinträchtigungen. Sie berücksichtigen Seh-, Hör-, Bewegungs- und kognitive Beeinträchtigungen in ihrem System. Als Kontrollgruppe dienen Personen ohne Beeinträchtigungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Definition der wichtigsten Informationen für jede Raumeigenschaft und Beeinträchtigungsform. Ziel ist es, diese Informationen aussagekräftig aufzubereiten.

Die Umsetzung in die Praxis

Das gegenwärtige Projekt verfolgt eine Vision, die zukünftige Renovierungen von Sporthallen revolutionieren könnte. Wibowo erläutert: „Wenn zukünftig eine Hallensanierung ansteht, könnten beispielsweise Planende in den Kommunen unser übersichtliches Informationssystem zur Hand nehmen und darin die wissenschaftlich überprüften Kriterien einsehen, die hinsichtlich räumlicher Barrierefreiheit Berücksichtigung finden sollten.“ Das Ziel des Projekts ist ambitioniert. Es strebt eine Kooperation mit der Deutschen Akkreditierungsstelle an. Die Forschungsgruppe möchte das System so weiterentwickeln, dass es Grundlage für ein Zertifikat für Sportstätten wird. Die Entwicklung des Systems ist dabei flexibel. „Vorstellbar ist zum Beispiel, dass am Ende ein gestuftes System steht – ähnlich wie beim Nutri-Score, die Ampel zur Bewertung von Lebensmitteln – mit dem wir feststellen können, wie viel Prozent der Kriterien eine Sportstätte für die jeweilige Raumeigenschaft erfüllt“, so der Wissenschaftler.

Innovativ ist die Zusammenfassung der Informationen in den genannten Raumeigenschaften: In vergleichbaren Systemen stehen vor allem die Personengruppen im Vordergrund. „Da die so heterogen in ihren Bedürfnissen sind, ist es für die Nutzenden jedoch manchmal schwierig, eine Sportstätte anhand einer Aussage wie ‚Ist barrierefrei für Personen mit Beeinträchtigungen des Hörens‘ zu bewerten“, erklärt Wibowo. Aussagen nach Raumeigenschaften, z. B. „Ist barrierefrei in Bezug auf Beschilderung“ (Kontraste, Akustik, etc.), ließen deutlich differenziertere Urteile nach persönlichen Bedürfnissen zu.

Auch bei knappen Kassen sind Anpassungen möglich

Sport überwindet Grenzen und vereint Menschen aller Altersgruppen, sozialer Schichten und Kulturen – mit und ohne Behinderung. Gut erhaltene Sportinfrastrukturen sind daher von entscheidender Bedeutung. Sie dienen nicht nur dem Breitensport, sondern auch der Förderung des Leistungssports, wie etwa bei den Vorbereitungen auf die Paralympischen Spiele in Paris. Viele Sportanlagen sind jedoch veraltet und sanierungsbedürftig. Die Modernisierung dieser Einrichtungen ist dringend notwendig, um sie barrierefrei und zeitgemäß zu gestalten. Finanzielle Engpässe in Kommunen verhindern jedoch oft die erforderlichen Modernisierungen.

Forschung in diesem Bereich zeigt, dass wesentliche Verbesserungen kosteneffizient realisiert werden können. Experten wie Herr Wibowo bestätigen, dass selbst einfache Anpassungen, wie die Optimierung von Beschilderungen und Kontrasten, eine große Wirkung haben können. Diese Verbesserungen sind oft ohne fremde Hilfe umsetzbar. Das Interesse an solchen Verbesserungen ist nicht nur auf städtische Sporteinrichtungen beschränkt. Auch Betreiber von Fitnessstudios zeigen sich offen für Neuerungen. Eine Zertifizierung im Bereich des Individualsports könnte künftig einen bedeutenden Mehrwert für Kunden darstellen, so die Ansicht von Fachleuten.

Das Projekt „ZertSportstätten“ erhält finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Im Rahmen der Förderlinie DATI-Pilot stellt das Ministerium rund 177.400 Euro zur Verfügung. Diese Mittel ermöglichen es, Forschung und Entwicklung im Bereich der Sportstätteninfrastruktur voranzutreiben. Ziel ist es, die Qualität und Zugänglichkeit für alle Nutzer zu verbessern.

Wichtige Vorarbeit für das Zertifikat

Die Wuppertaler Sportwissenschaftler*innen streben im Rahmen des Projekts „ZertSportstätten“ die Entwicklung eines Informationssystems an. Dieses basiert auf Erkenntnissen, die aus einer umfassenden Analyse diverser Leitfäden, Praxishilfen und DIN-Normen zum Thema gewonnen wurden. Aus einer Sammlung von 1.549 Kriterien selektierten sie jene, die sich für eine standardisierte Messung eignen. Zu den messbaren Kriterien gehören unter anderem die Flurbreite, die Regulierbarkeit der Raumtemperatur, der Kontrast zwischen den Farben von Türen und Wänden sowie die Beeinträchtigung durch Hintergrundgeräusche. Letztere könnten beispielsweise von nahegelegenen Autobahnen oder dem Betrieb von Klimaanlagen herrühren. Diese Kriterien werden aktuell im Projekt „NoBars“ überprüft, welches vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft unterstützt wird. Die Forschenden führen Untersuchungen in städtischen Sporthallen, auf Sportplätzen und in Schwimmbädern durch, um standardisierte Daten zu erheben.

Wibowo erläutert, dass die momentane Anzahl der Kriterien zu hoch ist, um sie in einer nutzer*innenfreundlichen Form aufzubereiten. Dies gilt sowohl für die Planung von Sportstätten als auch für deren Besuchende und Nutzende. Die Forschenden stehen daher vor der zentralen Frage, welche Informationen für Menschen entscheidend sind, um über die Nutzung einer Sportstätte zu entscheiden. Zur Beantwortung dieser Frage sind Herr Wibowo und sein Team nicht alleine unterwegs. Sie werden von Personen mit verschiedenen Beeinträchtigungen begleitet. Dieser Ansatz ist essenziell, um zu verstehen, welche Kriterien in der Bewertung von Barrierefreiheit und somit für die Entwicklung eines Zertifikats vorrangig behandelt werden sollten. Es ist anzunehmen, dass beispielsweise zwei Garderobenhaken auf unterschiedlichen Höhen weniger relevant sind als die Auffindbarkeit und Erreichbarkeit von Umkleiden und Sportflächen.

Aufruf zur Teilnahme bei Begehungen

Für das Projekt NoBars werden aktuell noch Ko-Forschende für die Begehung von Sportstätten gesucht. Personen mit Beeinträchtigungen des Sehens, Hörens, Bewegens oder kognitiven Beeinträchtigungen begehen dabei eine Sportstätte und schildern, welche räumlichen Eigenschaften sie als hinderlich oder förderlich wahrnehmen. Die Datenerhebung findet im Raum Wuppertal statt. Wenden Sie sich bei Interesse oder Rückfragen gerne an Ulrike Grünzel-Spindelmann aus dem NoBars-Projektteam (gruenzel@uni-wuppertal.de). Die Mitarbeit wird durch eine Aufwandsentschädigung vergütet.

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