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Der Bundesgerichtshof stärkt das Recht auf barrierefreien Umbau

Lesedauer 4 Minuten

Nicht nur in Altbauten, auch in modernen Wohnanlagen findet man sie: Treppen, Ecken und Kanten, Stufen und andere Stolpersteine. Für einige kaum wahrnehmbar, werden sie im Alter oder für Menschen mit Behinderung zu unüberwindbaren Hindernissen. Um barrierefreie Zugänge für sich selbst oder Besuchende zu ermöglichen, werden nicht selten weitergehende Umbaumaßnahmen notwendig. Was aber tun, wenn die übrigen Wohnungseigentümer die Rampe vor dem Haus oder den Aufzug am Altbau nicht wünschen?

Recht auf barrierefreien Umbau: Gesetzesänderung im Jahr 2020 maßgeblich

Über diese Konstellation hat kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) mit zwei Urteilen vom 09.02.2024 entschieden – Und dabei das Recht jedes einzelnen Wohnungseigentümers zum barrierefreien Umbau gestärkt. Konkret billigten die Karlsruher Richter des fünften Zivilsenats in einem ersten Fall den Bau eines Außenaufzugs im Innenhof eines Jugendstilhauses in München, im zweiten Fall eine barrierefreie Terrasse mit Rampe an einer Wohnanlage in Bonn. Die Entscheidungen sind von grundlegender Bedeutung.

Hintergrund ist eine Modernisierung des Wohnungseigentumsrechts aus dem Jahr 2020. Der Gesetzgeber hat damit für jeden einzelnen Wohnungseigentümer die Möglichkeit geschaffen, in bestimmten Fällen die Gestattung von baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum gegenüber den anderen Wohnungseigentümern – notfalls auch gerichtlich – durchzusetzen. Dies umfasst das Recht auf angemessene bauliche Veränderungen, die dem Gebrauch von Menschen mit Behinderungen dienen. Nun hat Deutschlands höchstes Zivilgericht erstmals eine Einschätzung zu dem Umfang dieses Anspruchs abgegeben. Sie spricht eine klare Sprache.

Reflektion der Vorsitzenden Richterin des fünften Zivilsenats Bettina Brückner

Die Entscheidungen des BGH sind ein wichtiger Schritt für die Förderung von barrierefreiem Wohnen in Deutschland. Sie zeigen, dass der Gesetzgeber den Bedürfnissen von älteren Menschen und Menschen mit Behinderung Rechnung tragen will und dass die Gerichte diese Absicht unterstützen. Die Urteile machen deutlich, dass bauliche Veränderungen zur Barrierefreiheit nur in Ausnahmefällen verhindert werden können, wenn sie die Wohnanlage grundlegend verändern oder einzelne Eigentümer unzumutbar beeinträchtigen. Die beiden Fälle aus München und Bonn illustrieren, dass solche Ausnahmen nicht leichtfertig angenommen werden dürfen und dass die Interessen aller Beteiligten sorgfältig abgewogen werden müssen. Die Urteile sind daher ein Signal für mehr Toleranz und Solidarität in der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Hohe Bedeutung für die Praxis

In unserer Praxis ist das Bedürfnis der Menschen nach barrierefreiem Wohnraum bereits seit längerer Zeit präsent. Erst vor kurzem haben wir für einen Mandanten erfolgreich die Gestattung des rollatorgerechten Umbaus einer Terrasse gerichtlich durchgesetzt. Völlig zurecht ist das damals befasste Amtsgericht unserer Argumentation gefolgt, dass es einer Beweisaufnahme über die Tatsache, ob unser Mandant selbst gehbehindert ist, nicht bedarf. Auch insofern wurde mit dem klaren Auftrag des Gesetzgebers zur Schaffung von barrierefreien Wohnraum argumentiert. Hierfür ist gerade nicht entscheidend, ob der Anspruchsteller selbst zum Kreis der behinderten Menschen zählt.
Charlotte Peitsmeier, Rechtsanwältin für privates Baurecht bei Koenen Bauanwälte
Pressemitteilung von Borgmeier Public Relations für Koenen Bauanwälte

Mit den Entscheidungen des BGH wurde diese Rechtsauffassung auch höchstrichterlich bestätigt. Dominik Hermann, Rechtsanwalt in den Bereichen privates Bau- und Architektenrecht und öffentliches Baurecht bei Koenen Bauanwälte, zeigt sich hierüber erfreut: „Die Entscheidung des BGH ist ausdrücklich zu begrüßen, weil sie weitere Klarheit zu dem Umfang des Anspruchs auf barrierefreien Umbau schafft und zudem ein Statement für Inklusion darstellt“.

Was bedeutet das für Sie als Wohnungseigentümer?

Wenn Sie selbst oder ein Angehöriger auf einen barrierefreien Zugang zu Ihrer Wohnung angewiesen sind, können Sie nun leichter Ihre Rechte geltend machen. Sie müssen nicht mehr auf die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer warten oder sich mit Kompromissen zufriedengeben. Sie können verlangen, dass Ihnen die erforderlichen baulichen Veränderungen gestattet werden, sofern diese angemessen sind und keine unzumutbaren Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer verursachen.

Voraussetzungen beachten

  • Sie müssen die baulichen Veränderungen auf eigene Kosten durchführen und unterhalten.
  • Sie müssen die baulichen Veränderungen so ausführen lassen, dass sie den anerkannten Regeln der Technik entsprechen und keine Gefahren für die Sicherheit oder den Bestand des Gebäudes darstellen.
  • Sie müssen die baulichen Veränderungen so gestalten, dass sie sich möglichst harmonisch in das Erscheinungsbild des Gebäudes einfügen und keine erheblichen Beeinträchtigungen für die anderen Wohnungseigentümer hervorrufen.
  • Sie müssen gegebenenfalls eine angemessene Entschädigung an die anderen Wohnungseigentümer zahlen, wenn diese durch die baulichen Veränderungen einen Nachteil erleiden.

Wie können Sie Ihren Anspruch durchsetzen?

Wenn Sie einen barrierefreien Umbau planen, sollten Sie zunächst versuchen, eine einvernehmliche Lösung mit den anderen Wohnungseigentümern zu finden. Dazu können Sie einen Antrag auf Zustimmung bei der Eigentümerversammlung stellen oder eine schriftliche Vereinbarung mit den einzelnen Wohnungseigentümern treffen. Dabei sollten Sie Ihre persönliche Situation darlegen und die geplanten Maßnahmen erläutern. Außerdem sollten Sie sich über mögliche Alternativen, Kosten und Folgen informieren und diese transparent kommunizieren.

Wenn Sie keine Einigung erzielen können oder die anderen Wohnungseigentümer Ihre Zustimmung verweigern, können Sie Ihren Anspruch gerichtlich geltend machen. Dazu müssen Sie eine Klage beim zuständigen Amtsgericht einreichen. Dabei sollten Sie sich von einem Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht beraten und vertreten lassen. Der Anwalt kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche zu begründen und zu beweisen. Außerdem kann er Ihnen bei der Abwehr von eventuellen Gegenansprüchen der anderen Wohnungseigentümer behilflich sein.

Fazit

Das Recht auf barrierefreien Umbau ist ein wichtiger Schritt für die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen. Es ermöglicht ihnen, selbstbestimmt und unabhängig in ihrer eigenen Wohnung zu leben. Als Wohnungseigentümer sollten Sie sich daher über Ihre Rechte und Pflichten informieren und diese bei Bedarf durchsetzen. Dabei sollten Sie jedoch auch die Interessen der anderen Wohnungseigentümer berücksichtigen und eine faire und friedliche Lösung anstreben.

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