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„Wir alle können mehr gegen Einsamkeit tun“

Lesedauer 3 Minuten

Bremen, 17.08.2024 (fs) – Bei der jüngsten Jahrestagung des Deutschen Ethikrates stand das Thema Einsamkeit im Fokus der Diskussionen. Diese gesellschaftliche Herausforderung betrifft insbesondere Frauen und junge Menschen in erheblichem Maße. Prof. Dr. Çinur Ghaderi, eine renommierte Expertin der Evangelischen Hochschule Bochum, trug maßgeblich zu diesen Gesprächen bei. Laut dem neuesten Einsamkeitsbarometer 2024, welches kürzlich vom Bundesfamilienministerium veröffentlicht wurde, empfindet ein Viertel der deutschen Bevölkerung ein Gefühl der Einsamkeit. Der Deutsche Ethikrat hat die Situation als „Einsamkeitsepidemie“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund wählte der Rat das Thema für seine letzte Tagung in Berlin aus. Experten aus dem gesamten Bundesgebiet nahmen an dem Austausch teil. Prof. Dr. Ghaderi betonte in ihren Ausführungen, dass Einsamkeit nicht nur das Wohlbefinden beeinträchtigt, sondern auch schwerwiegende gesundheitliche Risiken birgt. Diese können, wie sie erläuterte, sogar gefährlicher sein als die Folgen von Rauchen, Alkohol oder Übergewicht. Sie appellierte an die Gesellschaft, die Bedeutung des Themas zu erkennen und gemeinsam aktive Schritte zur Bekämpfung der Einsamkeit zu unternehmen.

Jung, weiblich, einsam

Prof. Ghaderi forscht an der EvH Bochum zu sozialen Gruppen mit erhöhter Verletzlichkeit. Sie fokussiert auf Menschen, die Herausforderungen nicht alleine bewältigen können. Strukturelle Bedingungen erschweren dies zusätzlich, was in Krisenzeiten zu Leid führt. Einsamkeit ist eine häufige Folge. Junge Erwachsene, speziell zwischen 19 und 22 Jahren, sind oft betroffen. In Nordrhein-Westfalen fühlt sich jede fünfte Person einsam. Dies macht sie zu einer Risikogruppe, ähnlich wie alleinstehende Senioren. Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein für diese Problematik verstärkt. Die soziale Isolation während des Lockdowns ist zwar vorbei, doch die Folgen bleiben.

Ein Gender Loneliness Gap1 zeigt sich ebenfalls. Frauen, besonders Alleinerziehende, leiden häufiger unter Einsamkeit als Männer. Die Fürsorgearbeit lässt ihnen wenig Zeit für soziales Engagement. Prof. Ghaderi betont, dass neben Beruf und Familie kaum Raum für Freundschaften bleibt. Menschen mit geringem Einkommen, queere Personen und solche mit Behinderungen sind ebenfalls gefährdet. Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund zählen auch dazu. Sie erleben oft soziale Ablehnung oder Rassismus. Einsamkeit ist somit kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem.

Hinschauen kann helfen

Aktuelle Forschungsergebnisse legen nahe, dass das Gefühl der Einsamkeit mit der Haltung gegenüber Autoritäten korreliert. Dies beeinflusst die Bindung an demokratische Prinzipien negativ. Menschen, die Einsamkeit erfahren, fühlen sich oft missverstanden und nicht ausreichend gewürdigt. Diese Erkenntnisse dürfen von der Gesellschaft nicht ignoriert werden.

Prof. Ghaderi begegnet dem bedenklichen Alleinsein mit einem umfassenden Konzept. Er betont die Notwendigkeit, das Thema in der lokalen Gemeinschaftsarbeit und Stadtentwicklung zu berücksichtigen. Ebenso wichtig ist die Aufmerksamkeit in der Geschlechterpolitik, im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt. Er fordert mehr und bessere Informations- und Unterstützungsangebote, die allen Menschen offenstehen sollten.

Die Präventionsarbeit beginnt im direkten Umfeld. Einsame Individuen verlangen danach, gesehen und anerkannt zu werden. Selbst kleine Gesten wie Gespräche, alltägliche Unterstützung oder ein einfaches Lächeln können eine große Wirkung haben. Sie signalisieren die benötigte Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, aufeinander zu achten. Die Verantwortung liegt nicht allein bei der Politik.

Weitere Informationen

Weitere Informationen von der Jahrestagung des Deutschen Ethikrates inkl. Video zum Vortrag und zur Diskussion:  https://www.ethikrat.org/jahrestagungen/einsamkeit/


Titelbild: „Wenn wir als Gesellschaft begreifen, wie wichtig das Thema ist, können wir alle mehr gegen Einsamkeit tun,“ sagt Prof. Dr. Ghaderi. / Foto: © Deutscher Ethikrat/Christian Thiel


  1. Gender Loneliness Gap: Frauen sind häufiger von Einsamkeit betroffen als Männer. ↩︎

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