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Wenn Kinder und Jugendliche Rheuma haben

Lesedauer 5 Minuten

Bremen, 24.08.2024 – Entgegen der weit verbreiteten Annahme, Rheuma sei eine Erkrankung, die vornehmlich ältere Menschen betrifft, zeigt die Realität ein anderes Bild. In Deutschland sind nicht nur etwa zwei Millionen Erwachsene von rheumatischen Beschwerden betroffen, sondern auch rund 40.000 Kinder und Jugendliche. Diese jungen Patienten leiden unter Entzündungen der Gelenke und Organe, was ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Die Stiftung Kindergesundheit mit Sitz in München hebt hervor, dass rheumatische Erkrankungen bei Kindern in der Häufigkeit vergleichbar sind mit Diabetes oder Krebs. Somit gehören sie zu den verbreitetsten chronischen Krankheiten im Kindesalter.

Die öffentliche Wahrnehmung hinkt jedoch hinter dieser Tatsache her. Es ist wenig bekannt, dass Rheuma Menschen jeden Alters treffen kann. Insbesondere bei Kleinkindern, Schulkindern und Jugendlichen manifestieren sich rheumatische Erkrankungen in vielfältigen Formen. Oftmals werden diese nicht sofort als entzündlich-rheumatisch identifiziert. Priv.-Doz. Dr. Annette Jansson, eine renommierte Kinder- und Jugendärztin und Leiterin der Rheumatologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital sowie des Fachbereiches Rheumatologie im integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum der Universität München, berichtet, dass die Diagnose erschwert wird, wenn keine Gelenkentzündungen sichtbar sind. Infolgedessen müssen viele betroffene Kinder und Jugendliche einen langen Weg des Leidens zurücklegen, bevor die korrekte Diagnose gestellt und eine angemessene Behandlung eingeleitet werden kann. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer erhöhten Aufmerksamkeit und eines besseren Verständnisses für diese Erkrankungen, um die Lebensqualität der jungen Betroffenen zu verbessern.

Rheumatische Erkrankungen bei Kindern sind nicht immer von dauerhafter Natur. PD Dr. Annette Jansson erklärt, dass einige Fälle eine spontane Heilung erfahren. Dabei bleiben keine langfristigen Schäden zurück. Trotzdem stellt die Krankheit für junge Patienten und deren Angehörige eine erhebliche Belastung dar. Die Expertin der Münchner Universitätskinderklinik unterstreicht jedoch, dass durch angepasste Therapien die Symptome häufig effektiv behandelt werden können.

Die vielen Gesicht von Kinderrheuma

„Rheuma“ bezeichnet eine umfangreiche Kategorie von über 400 verschiedenen Krankheitsbildern, die durch Entzündungsprozesse charakterisiert sind, welche nicht infektiösen Ursprungs sind. Diese Erkrankungen, zu denen das weit verbreitete Gelenkrheuma zählt, umfassen auch Zustände, bei denen andere Organe oder Körpersysteme entzündlich verändert sind. Sie können Menschen jeden Alters betreffen.

Gelenkrheuma wird den Autoimmunerkrankungen zugeordnet. Hierbei richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Organismus, speziell gegen die Gelenke, und löst dort Entzündungen aus. Es gibt jedoch auch Gelenkentzündungen, die durch Infektionen oder andere Faktoren ausgelöst werden und die entweder spontan abklingen oder medikamentös behandelbar sind. Diese repräsentieren den Großteil, nämlich 80 bis 90 Prozent, aller Gelenkentzündungen und nehmen meist einen milden Verlauf. Die verbleibenden 10 bis 20 Prozent der Fälle bei Kindern und Jugendlichen entwickeln sich zu chronischen Gelenkentzündungen. Bei diesen jungen Patienten verläuft die Krankheit oft in Schüben. Nicht nur die Gelenke, sondern auch Knochen, Muskeln und sogar die Augen können involviert sein. Betroffene Kinder benötigen daher eine angepasste, spezialisierte Rheumatherapie.

Mädchen anfälliger als Jungen

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) stellt die vorherrschende Kategorie entzündlicher rheumatischer Krankheiten bei Kindern dar. Diese chronische Gelenkentzündung wird von der Kinderrheumatologin PD Dr. Annette Jansson näher beleuchtet. Sie erklärt, dass unter dem Begriff Arthritis entzündliche Gelenkerkrankungen zusammengefasst werden. Der Zusatz „idiopathisch“ verweist auf eine unklare Ätiologie der Krankheit.

Die JIA manifestiert sich häufig bereits im Vorschulalter. Statistiken zeigen, dass Mädchen öfter als Jungen von dieser Krankheit betroffen sind. Anfänglich treten die Entzündungen meist an den Knie- oder Sprunggelenken auf. Nicht selten sind jedoch auch einzelne Gelenke der Finger oder Zehen involviert.

Die genauen Ursachen der JIA sind bis heute nicht vollständig erforscht. Dennoch ist bekannt, dass eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt. Die Symptome können schmerzhafte Schwellungen, Steifigkeit und Bewegungseinschränkungen der betroffenen Gelenke umfassen.

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um langfristige Schäden zu vermeiden und die Lebensqualität der jungen Patienten zu erhalten. Therapeutische Ansätze beinhalten Medikamente, Physiotherapie und in manchen Fällen auch chirurgische Eingriffe.

Es ist wichtig, dass Eltern und Betreuungspersonen auf erste Anzeichen achten und bei Verdacht auf JIA umgehend medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten und Familien kann eine optimale Versorgung und Unterstützung der Kinder gewährleistet werden.

Die Forschung zu JIA und anderen rheumatischen Erkrankungen im Kindesalter schreitet kontinuierlich voran. Ziel ist es, die Pathogenese besser zu verstehen und effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln. So bleibt die Hoffnung, dass zukünftige Generationen von einer verbesserten Diagnostik und Therapie profitieren werden.

Das Still-Syndrom

Das Still-Syndrom, eine seltene rheumatische Erkrankung, zeichnet sich durch wiederholte Fieberepisoden aus. Diese Krankheit kann den gesamten Körper beeinträchtigen, gelegentlich sogar ohne Entzündung der Gelenke. Symptome ähneln denen infektiöser Kinderkrankheiten. Oft fiebert das betroffene Kind über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen. Auf der Haut des Kindes erscheinen Ausschläge, gekennzeichnet durch lachsfarbene Flecken. Zusätzliche Symptome können Schwellungen der Lymphknoten, eine Entzündung des Herzbeutels, eine Vergrößerung von Leber und Milz sowie Störungen der Blutbildung im Knochenmark umfassen.

Kein Bock auf Bewegung

Im Gegensatz zu Erwachsenen zeigen Kinder mit Gelenkrheuma nicht sofort Schmerzsymptome. Stattdessen manifestiert sich die Krankheit durch eingeschränkte Beweglichkeit und Schonhaltungen. Diese frühen Anzeichen sind entscheidend für eine frühzeitige Diagnose und Behandlung. Bei fortschreitender Krankheit erleiden auch Kinder und Jugendliche Gelenkbeschwerden. Diese äußern sich durch Schmerzen und Schwellungen, welche die Lebensqualität des Kindes und seiner Familie erheblich beeinträchtigen können. Die Dauer dieser Belastung variiert und kann sich über Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte erstrecken.

Aktuelle Forschungen belegen die positiven Effekte von Bewegung und Sport für betroffene Kinder. Daher fokussiert sich die Behandlung darauf, ihnen eine möglichst normale körperliche Aktivität zu ermöglichen. Dies unterstützt nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit der jungen Patienten. Eine umfassende Behandlung umfasst medizinische, physiotherapeutische und psychologische Ansätze. Ziel ist es, den Kindern ein aktives und erfülltes Leben zu ermöglichen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Spezialisten ist dabei von größter Bedeutung. Sie gewährleistet eine ganzheitliche Betreuung und optimiert die Therapieergebnisse. Eltern spielen in diesem Prozess eine zentrale Rolle. Ihre Unterstützung und ihr Verständnis sind unerlässlich für den Therapieerfolg.

Schulungen und Informationsveranstaltungen können ihnen helfen, die Krankheit besser zu verstehen und ihr Kind im Alltag zu unterstützen. Darüber hinaus ist die Einbindung des sozialen Umfelds des Kindes wichtig. Gleichaltrige und Lehrkräfte sollten über die Erkrankung informiert werden. So kann eine integrative Umgebung geschaffen werden, die das Kind nicht ausgrenzt, sondern fördert. Die kontinuierliche Forschung und Entwicklung neuer Therapien versprechen eine stetige Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Fortschritte zu einer noch effektiveren Unterstützung für Kinder mit Gelenkrheuma führen werden.

Das familiäre Leiden

Die Konfrontation mit einer Diagnose wie „rheumatische Erkrankung“ kann für die Betroffenen und ihre Angehörigen einen plötzlichen und tiefgreifenden Wandel bedeuten. Privatdozentin Dr. Annette Jansson gibt zu bedenken, dass das familiäre und soziale Umfeld oft vor Herausforderungen gestellt wird. Insbesondere fällt es ihnen schwer, die morgendliche Steifigkeit zu verstehen, die Kinder mit Gelenkrheuma daran hindert, frühzeitig mit dem Schulunterricht zu beginnen. Diese Kinder haben Schwierigkeiten, ohne Unterstützung den Weg zur Schule zurückzulegen. Das Treppensteigen wird zu einer unüberwindbaren Hürde. Selbst wenn ihre Gelenke äußerlich normal zu funktionieren scheinen, ist es ihnen nicht möglich, Sportarten auszuüben, die die Gelenke belasten könnten.

Die Einschränkungen in der Beweglichkeit sind besonders schwerwiegend. Kinder, die davon betroffen sind, sind in hohem Maße auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen. Die Familienmitglieder müssen häufig eine Vielzahl von Fahrten koordinieren. Dazu gehören Arztbesuche, physiotherapeutische Sitzungen, Ergotherapien, therapeutisches Schwimmen sowie der tägliche Transport zur Kindertagesstätte oder Schule. Wenn beide Elternteile berufstätig sind, gestaltet sich die Bewältigung dieser Aufgaben als besonders schwierig. Meistens übernimmt die Mutter diese Verantwortung, was zu Lasten der anderen Familienmitglieder geht, einschließlich der Geschwister der betroffenen Kinder.

Behandlungen

Kinder, die an Rheuma leiden, benötigen manchmal stationäre Behandlungen in spezialisierten Einrichtungen aufgrund wiederkehrender Beschwerden. In diesen Zentren erfolgt eine umfassende Therapie. Ziel ist es, durch intensive Physiotherapie bestehende Fehlhaltungen zu korrigieren und die Mobilität zu steigern. Priv.-Doz. Dr. Annette Jansson erläutert:

Zunehmend stellen wir fest, dass vor allem junge Menschen an Schmerzsyndromen leiden. Diese Syndrome beeinträchtigen ihre soziale Integration und Entwicklung, auch wenn keine organischen Gründe vorliegen. Für diese Fälle existieren mittlerweile spezielle Zentren, die multimodale Behandlungsansätze bereitstellen.

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