Menschen mit Behinderung haben immer noch geringere Erwerbschancen als andere Bevölkerungsgruppen. Trotz Verbesserungen im Bereich der Inklusion haben Menschen mit Behinderung nach wie vor geringere Chancen am Arbeitsleben teilzunehmen als Personen ohne Behinderung. Diese Situation ist besorgniserregend, da sich die Lage in den letzten Jahren nicht verbessert hat.
Die Definition von Behinderung im Sozialgesetzbuch besagt, dass Menschen behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Grad der Behinderung (GdB) reicht in Zehnerschritten von 20 bis 100. Je höher der Grad, desto schwerwiegender die Beeinträchtigung. Betroffene gelten ab einem GdB von 50 als schwerbehindert – Statistiken zu behinderten Menschen beziehen sich in der Regel auf diese Gruppe. Mit einem GdB von 30 oder 40 ist es in vielen Fällen zudem möglich, sich arbeitsrechtlich mit Schwerbehinderten gleichstellen zu lassen.
Trotz dieser rechtlichen Schutzmaßnahmen sehen sich behinderte Arbeitnehmer, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, noch immer vielen Hindernissen ausgesetzt. Probleme auf dem Lebensweg vieler Menschen mit Behinderung wirken sich oft negativ auf ihr Berufsleben aus. Wegen längerer Therapien oder anderen Umständen können manche Menschen ihre Ausbildung nicht in der Regelzeit absolvieren. Dies wird auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor als etwas Schlechtes betrachtet, obwohl es von den Unternehmen nicht die Durchsetzungskraft und Ausdauer gesehen wird, die diese Menschen trotz allem bewiesen haben.
Es ist wichtig zu betonen, dass schwerbehinderte Menschen keine Belastung für ein Unternehmen sind, sondern mit ihrem Fachwissen, ihrer Loyalität und ihrem Teamgeist oft eine Bereicherung darstellen. Dennoch herrschen bei vielen Arbeitgebern Irrtümer, Vorurteile und Unsicherheiten bezüglich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Es gibt erheblichen Verbesserungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt, um die Chancengleichheit für alle zu gewährleisten.
Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung ist im Jahr 2022 zwar gesunken, aber mit knapp elf Prozent ist sie immer noch fast doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung. Das ergab das Inklusionsbarometer 2023 der „Aktion Mensch“. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter Menschen mit Behinderung liegt bei 46 Prozent. Im Vergleich dazu liegt die Quote unter Langzeitarbeitslosen ohne Behinderung hingegen nur bei knapp 38 Prozent .
Die Benachteiligung am Arbeitsmarkt gegenüber Menschen mit Behinderungen lässt sich auch an harten Zahlen festmachen. Schwerbehinderte sind immer noch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen ohne Behinderung. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Jahr 2017 11,7 Prozent der schwerbehinderten Menschen arbeitslos, während die allgemeine Arbeitslosenquote bei 7,2 Prozent lag.
Doch was sind die Gründe dafür? Viele Unternehmen klagten, dass sie zwar bereit wären, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, aber oftmals keine geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen fänden. Fast 80 Prozent der Betriebe, die die gesetzlich vorgeschriebene Quote für Menschen mit Behinderungen nicht erfüllen, führen die schlechte Bewerberlage als Grund dafür an. Ein großes Problem scheint daher zu sein, dass Betriebe und Menschen mit Behinderungen oftmals nicht zusammenkommen. Daher sei eine verstärkte und zielgerichtete Qualifizierung der Betroffenen in Schule, Ausbildung und im Erwachsenenleben sinnvoll.
Um Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gibt es Regeln, an die sich Unternehmen halten müssen. Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitenden müssen mindestens fünf Prozent Menschen mit Behinderung angestellt haben. Doch derzeit besetzen nur 39 Prozent aller Unternehmen alle für sie vorgeschriebenen Pflichtarbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung. So gibt es in Deutschland aktuell 45.000 Arbeitgeber, die verpflichtet sind, Schwerbehinderte anzustellen, dies aber nicht tun.
Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen sowie eine gezielte Qualifizierung von Menschen mit Behinderung können dazu beitragen, diese Ungleichheit zu verringern und den Arbeitsmarkt inklusiver zu gestalten.
Die Ausgleichsabgabe ist ein bedeutendes Instrument zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt. Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu verstehen und zu erfüllen. Die korrekte Berechnung und Zahlung der Ausgleichsabgabe ist dabei ein zentraler Aspekt.
Die Ausgleichsabgabe soll Arbeitgeber dazu motivieren, Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen. Sie schafft einen finanziellen Ausgleich für den erhöhten Aufwand, der durch die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen entsteht. Es ist wichtig zu betonen, dass die Zahlung der Abgabe die Pflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung nicht aufhebt.
Um die Beschäftigung unter Menschen mit Behinderungen weiter zu erhöhen, hat die Politik erst am Jahresbeginn eine Reform umgesetzt. Ab Januar dieses Jahres hat sich das Maximum der sogenannten Ausgleichsabgabe auf monatlich 720 Euro erhöht. Ein Unternehmen mit 60 und mehr Mitarbeitenden, das seiner Verpflichtung nicht nachkommt und keinen Menschen mit Behinderung anstellt, muss diese Summe monatlich zahlen. Für kleinere Unternehmen fällt dieser Betrag entsprechend geringer aus.
Diese Reform ruft bei Sozialverbänden jedoch deutliche Kritik hervor. Peer Brocke von der Lebenshilfe verlangt, dass die Ausgleichsabgabe noch weiter angehoben werden müsste. Und zwar so sehr, dass es für Unternehmer profitabler sei, einen Menschen mit Behinderung mithilfe eines staatlichen Zuschusses anzustellen. Zudem solle die Pflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung ausgeweitet und die Quote für Unternehmen erhöht werden, sagt Brocke. Weiterhin wünscht sich die Lebenshilfe Maßnahmen, damit Menschen, die häufig in Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt sind, stattdessen eher auf den regulären Arbeitsmarkt gelangen.
Um langfristig mehr Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu bekommen, müsse man an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen, sagt Dorothee Czennia vom VdK. Ein Problem sei, dass gelegentlich die Anstellung für Unternehmen schwierig umzusetzen sei. „Es gibt Fälle, wo Arbeitgeber jemanden einstellen wollen, aber wochenlang auf eine Reaktion des zuständigen Reha-Trägers oder des Integrationsamts warten und es sich dann wieder anders überlegen“, erklärt die Expertin für Behindertenpolitik. Die Vermittlungsfähigkeiten der Job-Center seien auch mangelhaft.